Es geht schon, wenn alle mitmachen (Maske tragen). Ich war jetzt an zwei Konzerten (Kulti Wetzikon und Photobastei). Es tut gut wieder mal zusammen laute Musik zu hören. Es war alles anständig, die Leute waren rücksichtsvoll.
Ich würde mehrere Masken mitnehmen und nach zwei Stunden eine frische anziehen;-) Es flasht sogar noch mehr mit Maske. Strich man sich in den Altern-8 Zeiten nicht noch Vapour8 unter die Nase?
Clubszene in Corona-Zeiten: Sieben Lehren von der Tanzfläche
Die Clubs sind wieder offen. Im Birgit&Bier in Berlin darf sogar mit wenig Abstand getanzt werden – aber nur mit Maske. Was für eine zwiespältige Bereicherung!
Von Nils Erich
18. September 2020, 19:57 Uhr 17 Kommentare
Clubszene in Corona-Zeiten: Drinnen feiern, so wie hier, ist nicht mehr: Wegen Corona wird zum Beispiel im Birgit&Bier nur noch draußen und mit Maske getanzt.
Drinnen feiern, so wie hier, ist nicht mehr: Wegen Corona wird zum Beispiel im Birgit&Bier nur noch draußen und mit Maske getanzt. © Max Titov/unsplash.com
Sieben Lehren von der Tanzfläche – Seite 1
Alles begann im Nachtleben: Ende Februar war die Berliner Bar Trompete der erste viel genannte Corona-Hotspot der Stadt. Seit März 2020 waren die Clubs geschlossen. Inzwischen haben einige Läden wieder Partys in ihren Außenbereichen, auch wenn es nur von 14 bis 22 Uhr geht wie im Birgit&Bier an diesem Sonntag und nicht von Donnerstag bis Montag, wie früher so häufig. Aber wie ist es eigentlich in diesem Spannungsfeld zwischen Ekstase und Hygieneregeln? Und was lässt sich von hier, aus der Berliner Clubkultur, in das sonstige Corona-Leben mitnehmen?
1. Tanzen mit Maske – ja, das geht!
Im Birgit&Bier gilt die Maskenpflicht überall, außer an den Tischen im Biergarten. Das heißt, sie gilt auch auf der Freiluft-Tanzfläche. Tanzen mit Maske, geht das überhaupt? Nun, es geht wunderbar, und zwar auch bei stundenlangem Hochleistungstanzen mit vollem Körpereinsatz. Selbst mit meiner N95-Supermaske mit wenig Luftdurchsatz. Vielleicht macht der latente Sauerstoffmangel das Erlebnis sogar noch intensiver und den körperlichen Trainingseffekt noch größer. Wie vielleicht überall, gerade an den nun zögernd wieder geöffneten Orten der Kultur, gilt hier: Es ist unvermeidbar anders. Das aber kann, gleicht man es nicht permanent als Schwundstufe mit dem Zustand davor ab, auch aufregend neu sein.
2. Der Club ist regelkonformer als die Bahn.
Im Club war der Anteil der Maskenträger deutlich höher als in den meisten Zügen der Deutschen Bahn, beziehungsweise lag er bei annähernd 100 Prozent. Logischerweise: Wer sich im Club nicht an die Regeln hält, fliegt seit eh und je einfach raus, ohne Diskussion. Sogar ein Bekannter, der sich in der Bahn weigert, eine Maske zu tragen, war an diesem Abend mit Maske unterwegs. Das ist die alte Kippfigur des Nachtlebens, der nun eine neue Bedeutung als gesellschaftliche Metapher zukommt: Die freie Entfaltung der Tanzenden in einem sicheren Raum ist nur möglich, wenn eine akzeptierte Autorität über die Einhaltung eines Grundkonsens wacht. Der Club kann damit durchaus als Anschauungsobjekt für Innenpolitikerinnen und Zugbegleiter dienen.
3. Vorsicht mit Drogen!
Einer, der LSD genommen hatte, blickte sich staunend um und sagte: Das sieht hier aus wie in einer Computersimulation. Surreal, irreal. Gerade, wenn alle Maske tragen, womöglich noch Hut und Sonnenbrille. Sind das noch Menschen oder schon apokalyptische Roboter? Ja, es braucht kaum mehr als einen bunten Stofffetzen vor dem Mund, um eine insgesamt ziemlich fröhliche Szene in eine latent darke Szene zu verwandeln. Die Welt des Spaßes ist fragil wie im Computerspiel BioShock oder in dystopischen Fernsehserien wie Stranger Things oder Black Mirror. Für die einen ist das ein Abenteuer. Auf andere wartet in den Schattenwelten hinter dem Mundschutz schon die Paranoia. Die Stimmungen sind gerade ohnehin stark (und oft düster) genug, auch ohne Stimmungsverstärker aller Art.
4. Euphorieknäuel no more
Abseits der Tanzfläche vereinzeln sich die Menschen viel mehr als früher, Gruppen finden nicht mehr spontan zusammen, alle sitzen an ihren eigenen Tischen. Dort wird man bedient. Niemand muss mehr an der Barschlange stehen und Gefahr laufen, dort mal schnell eine inspirierende Person kennenzulernen. Dabei ist es ja gerade das Soziale auch abseits der Tanzfläche, das den Club so besonders macht. Einfach auf wildfremde Menschen zugehen zu können, die Grenzen zwischen den Individuen aufzuheben, eine Gegenwelt zu haben zu einer sich immer weiter zerteilenden und partikularisierenden Gesellschaft, das alles ist nicht mehr so möglich wie vorher.
Aber: Auf der Tanzfläche entlädt sich die kollektive Energie dafür umso mehr. Hier funktioniert die Energieübertragung ja auch mit Abstand, über die Haptik großer Gesten und Bewegungen und den Jubel hinter den Masken. Vielleicht könnte das auch zum Leitfaden für andere Kontexte werden, um die Pandemie psychisch und physisch zu überstehen: sich vereinzeln und nur zu ausgewählten und wertvollen Momenten in die lose Menge stürzen.
Tanzen ist mehr als reiner Hedonismus
5. Das schlechte Gewissen tanzt mit
Spätestens, wenn jemand eine Kippe anzündet und der Rauch die Aerosole visualisiert, wie sie über die Nachbartische im Biergarten ziehen, ist auch im Club das Memento da und die Frage: Tragen wir alle, die wir hier tanzen, trotz aller Vorsicht zu mehr Ansteckungen bei? Steht der Spaß der Gesundheit stärker entgegen, als alle hier es wahrhaben wollen? Darauf gibt es wohl keine befriedigende Antwort. Die streng normative jedenfalls, wonach einfach jedes Risiko zu vermeiden ist, übersieht nach Monaten der Pandemie mehr und mehr die psychische Gesundheit, auch den Wunsch nach Kultur und Welterleben. Gerade darum wäre es schön, den Hedonismus der Clubs nicht geringer zu schätzen als den von Urlaubsreisen und Familientreffen. Für viele Menschen ereignet sich hier schließlich genau das.
6. Tanzen tut bitter not
Natürlich ist "Bleib doch einfach zu Hause!" eine legitime Position. In großen Crowds zu tanzen, ist ein wahnsinniger Luxus, wenn gerade eine Pandemie um den Erdball geht. Aber Tanzen ist mehr als reiner Hedonismus. Es verjüngt besser als jede Anti-Aging-Creme, wenn die letzte Anspannung und die letzten Sorgen weggetanzt sind. Der Rücken ist wieder gerade aufgerichtet, der Muskelkater an den Schienbeinen zeugt von einem vernünftigen Workout.
Vor allem aber erfüllt Tanz seine eigenen Funktionen, ebenso wie Fußballgucken oder der Kindergeburtstag. Wer tanzt, entledigt sich, wie Nietzsche es im Zarathustra schrieb, vom "Geist der Schwere", der der "Herr der Welt" sei. Tanzen ist Spott auf den Corona-Schwermut, ein Quell der Leichtigkeit. Was nicht heißt, zum Covidioten zu werden! Die Kunst, wie auch Nietzsche schrieb, ist eben, in Ketten zu tanzen. Den Zwang "sich auferlegen und ihn anmutig besiegen: so dass Zwang und Sieg bemerkt und bewundert werden". Wer mit Maske tanzen kann, bringt Spaß und Gesundheit in Einklang. Und das ist gerade in Zeiten des abnehmenden Lichts (das heißt Herbst) wichtig.
7. Der Moment ist unendlich (wichtig)
Die internationale und vielfältige Musikszene zumindest Berlins ist lebendig, noch. Andere Länder wie das Vereinigte Königreich, Frankreich, Israel oder Spanien zeigen, dass eine neue Corona-Lage den Spaß schnell wieder beenden kann. Dabei macht die Szene einiges richtig, experimentiert in der vergleichsweise entspannten Corona-Lage in Deutschland mit verschiedenen Maßnahmen. Einige Clubs lassen Gruppen etwa nur in ihren eigenen Bubbles tanzen, dafür maskenfrei.
Aber das alles ist flüchtig. Jetzt, im Spätsommer, stehen wir kurz vor einem ungewissen Herbst und Winter. Dieser Moment lässt sich in den Clubs nicht nur am besten genießen, er lässt sich hier auch am besten verstehen, weil das Cluberlebnis schon immer ein flüchtiges ist. Diese Flüchtigkeit hat nun eine noch viel existenziellere Bedeutung bekommen: Mit ihr kann es sehr schnell ganz vorbei sein, für unbestimmte Zeit, und das hängt auch davon ab, wie wir mit ihr umgehen, gerade hier im Club. Das kann demütig und ängstlich machen. Oder zu mehr Verantwortungsbewusstsein führen: Wir haben den Moment und die Zukunft selbst in der Hand. Das haben die Clubbenden, zumindest im Birgit&Bier, schon gut begriffen.